„Die jüdische Polizei hat ein trauriges Kapitel in der Geschichte des jüdischen Volkes geschrieben, da sie ständig das Werkzeug der herrschenden Ordnung war“, beklagte die jiddische DP-Zeitung Undzer Wort und appellierte gleichzeitig an die Bewohner der Camps: „Nun müssen wir uns aber loyal verhalten und unserer Polizei kein Misstrauen mehr entgegenbringen.“ Obwohl es in den jüdischen Gemeinschaften und Siedlungen der Diaspora traditionell keine eigenen Sicherheitskräfte gab, entschied die „Scheerit Haplejta“ erstmals demokratisch kontrollierte Polizeieinheiten aufzustellen. Denn allein die Vorstellung, den Anordnungen deutscher Behörden und insbesondere der deutschen Polizei Folge leisten zu müssen, löste bei vielen Juden eine schmerzhafte Erinnerung aus. Der Aufbau von eigenen Sicherheitskräften, die für Recht und Ordnung im Camp sorgten sowie die Einrichtung und ihre Bewohner vor Angriffen von außen schützten, war demzufolge unverzichtbar.
Anfänglich hatte die Militärregierung in Absprache mit den örtlichen Besatzungsbehörden der deutschen Exekutive erlaubt, die DP-Lager zu betreten, um dort polizeiliche Maßnahmen durchzuführen. Eine Praxis, die immer wieder zu heftigen Protesten seitens der jüdischen DPs führte. Doch erst nach einem folgenschweren Zwischenfall im Lager Stuttgart entschied die Militärverwaltung, dass die deutsche Polizei nicht mehr in den DP-Camps tätig werden durfte. Auf der Suche nach vermeintlicher Schwarzhandelsware durchkämmten am 29. März 1946 rund 200 deutsche Polizisten mit Schäferhunden und in Begleitung einiger US-Militärpolizisten das Stuttgarter Lager. Sie drangen gewaltsam in die Unterkünfte ein und demolierten die Lagerbibliothek. Die empörten Juden protestierten lautstark und setzten sich zur Wehr. Bei einem Gerangel zwischen den Sicherheitskräften und den Lagerbewohnern eröffnete die deutsche Polizei das Feuer. Der Auschwitz-Überlebende Samuel Danzinger wurde mit einem Kopfschuss getötet, vier weitere Juden wurden schwer verletzt. Als Ergebnis der blutigen Razzia konnte der Schwarzhandel mit ein paar Hühnereiern nachgewiesen werden.
Jedoch war auch die eigene jüdische Polizei in den selbstverwalteten DP-Camps zunächst nicht unumstritten. Mit Unbehagen erinnerten sich viele Shoa-Überlebende noch an die verhängnisvolle Rolle der Ghettopolizei, die ein perfides Instrument zur Durchsetzung der deutschen Vernichtungspolitik war. Als ausführender Arm des Judenrates sollten die Polizeikräfte die Sicherheit und Ordnung im Ghetto gewährleisten sowie die Anordnungen, die der „Judenrat“ von den Deutschen erhielt, ausführen, d. h. das „jüdische Wohngebiet“ bewachen, Arbeitstrupps die außerhalb des Ghettos Zwangsarbeit leisten begleiten, willkürlich auferlegte Bußzahlungen eintreiben und schließlich bei der Durchführung von Deportationen mitwirken. In vielen Ghettos versuchte die Polizei zudem, den jüdischen Untergrund auszuschalten. In Warschau verübten Widerstandskämpfer daher während einer Deportation im August 1942 einen Anschlag auf den Polizeikommandanten und verletzten ihn schwer. Sein Nachfolger wurde wenige Monate danach getötet. In manchen Ghettos unterstützten Polizisten allerdings die Widerstandsbewegung und waren, wie etwa in Kowno, sogar aktiv im Untergrund tätig.
Anfänglich glaubten die Männer, dass ihnen der Polizeidienst Schutz vor Deportation und eine bessere Versorgung ihren Familien garantieren würde. Ein Trugschluss: Zunächst wurden auch die Angehörigen des „Ordnungsdienstes“ in die Vernichtungslager transportiert – zum Schluss folgte die Deportation der aktiven Polizisten.
Erst mit der Befreiung vom Nationalsozialismus erhielten die Juden in den DP-Camps die Chance Polizeieinheiten aufzustellen, die ihrem Schutz dienten. Bevor die Männer, die eine „jüdische Nationalität“ und einen Wohnort im Lager nachweisen mussten, ihren Dienst als Polizisten verrichten durften, wurden sie entsprechend ausgebildet. Dazu bot beispielsweise die US-Armee Lehrgänge an, in denen die theoretischen und praktischen Grundlagen der Polizeiarbeit in eigens eingerichteten Polizeischulen vermitteln wurden.
Neben der Bewachung der DP-Camps und der Aufrechterhaltung von Recht und Ordnung galt die Tätigkeit der Sicherheitskräfte auch als ein deutliches Symbol dafür, dass die Juden in der Lage seien, ihre Geschicke in die eigene Hand zu nehmen. Als wichtiger Teil der Selbstverwaltung untergliederte sich die Polizei in einen Kriminal-, Ordnungs- und Sanitärdienst sowie eine Feuerlöschbrigade. Die Männer waren berechtigt, verdächtige Personen festzunehmen und bis zu 24 Stunden zu inhaftieren. Auch das Durchsuchen von Wohnungen und die Beschlagnahmung von vermeintlichem Diebesgut gehörten zu ihren Aufgaben. Die Truppe unterstand dem Befehl des Polizeichefs, und damit der demokratisch gewählten Lagerverwaltung, führte aber auch Anordnungen des unabhängigen Lagergerichts aus. Daneben war die Überwachung der allgemeinen Hygienevorschriften eine wichtige Aufgabe, da nur durch die peinliche Einhaltung der Sauberkeitsvorschriften ansteckende Krankheiten in den Massenunterkünften zu vermeiden waren. Schließlich gehörte auch der Kampf gegen den Schwarzhandel, teilweise in Zusammenarbeit mit Kräften der Besatzungsmacht, zum Aufgabenbereich der DP-Polizei.
Nach Ansicht der jiddischen Zeitung Undzer Wort „leisten die Polizisten gute Arbeit und erweisen sich als achtbare Vertreter des jüdischen Volkes“. Auch die Militärregierung lobte die Lagerpolizisten und würdigte die gute Kooperation zwischen den jüdischen Sicherheitskräften und der Militärpolizei. Die Geschichte der autonomen und demokratisch kontrollierten Polizeitruppen in den jüdischen DP-Camps des besetzten Deutschlands ist bislang nur ansatzweise erforscht. Diese Lücke wollen wir schließen helfen. Wie waren die Strukturen, welche Männer übten diesen Dienst aus, wie war ihr Ansehen bei den Camp-Bewohnern? Dabei soll insbesondere untersucht werden, ob die jüdische Bevölkerung Vertrauen in die Sicherheitskräfte hatte oder sie, aufgrund der schrecklichen Erfahrungen mit der Ghettopolizei, als repressive Ordnungsmacht fürchtete.