Ausplünderung jüdischer Bürger durch NS-Finanzbehörden in Nürnberg

Julius und Hedwig Wertheimer
Julius und Hedwig Wertheimer (Repro: nurinst-archiv)

Über ein halbes Jahrhundert musste vergehen, bis die Verstrickungen des Nürnberger Fiskus in das NS-System öffentlich bekannt wurden. Erst nach Recherchen und Presseveröffentlichungen des Journalisten und Institut-Mitarbeiters Institutes Jim G. Tobias sah sich die bayerische Archivverwaltung gezwungen die brisanten Dokumente, die das schwärzeste Kapitel der Steuerbehörden belegen, zur Einsicht freizugeben. Wie überall in Deutschland beschlagnahmten und versteigerten die fränkischen Beamten die letzten Besitztümer der in die Todeslager deportierten Juden: Möbel, Wäsche, Bücher, Schmuck oder Hausrat, alles kam unter den Hammer. Viele deutschen Volksgenossen konnten so ihr Schnäppchen machen. Neben dem räuberischen Vorgehen des Nürnberger Fiskus belegen die Unterlagen auch offensichtliche Vertuschungsversuche der Behörden in der Nachkriegszeit. Anfragen von Überlebenden nach dem Verbleib des Eigentums ermordeter Angehöriger verliefen im Sande, da Finanzbeamte die Existenz von „Arisierungs“-Unterlagen leugneten.

Collage aus diversen Finanzamtsakten
Collage aus diversen Finanzamtsakten (Foto: nurinst-archiv)

Etwa 500 archivierte Karteikarten sowie Wiedergutmachungsakten belegen jedoch die systematische Ausplünderung der Nürnberg Juden.
Als Beispiel für diesen gnadenlosen Raubzug steht die Karteikarte von Julius Wertheimer und seiner Familie.

Einnahmen:
Geld aus dem Verkauf von Hausrat, Barguthaben, Erlöse aus dem Verkauf von Silber sowie der Rückkaufswert für eine Lebensversicherung.

Ausgaben:
Die Miete von Januar bis Juli 1942 und Stromkosten bis zum 13. Mai 1942 – trotz „Auszug“ des Mieters im November 1941.

Nach Gegenüberstellung von Einnahmen und Ausgaben stehen darunter die Erlöse. Der Verwertungsgewinn des jüdischen Bürgers Julius Wertheimer, ehemals Sulzbacher Straße 50. Genau registriert, taxiert und auktioniert von pflichtbewussten Steuerbeamten des Finanzamts Nürnberg.

Julius Wertheimer wurde mit seiner Frau Hedwig und Sohn Hans am 29. November 1941 nach Riga verschleppt. Dort verlieren sich die Spuren. Tochter Alisa konnte sich rechtzeitig in die Emigration retten. Sie lebt heute in Israel.

Die Lokalstudie „… zugunsten des Reiches vereinnahmt.“Die fiskalische „Arisierung“ in Nürnberg – Eine Spurensuche mit Hinternissen dokumentiert den systematischen Raubzug des fränkischen Fiskus und ist im Institutsjahrbuch nurinst 2008 erschienen.