Seit den 1930er Jahren betreut die Diakonie auf dem Schwarzacher Hof (LK Neckar-Odenwald) geistig und körperlich behinderte Menschen. Doch während des nationalsozialistischen Regimes wurden auch aus dieser beschützenden Anstalt über 200 Heimbewohner abgeholt und im Rahmen des verbrecherischen Euthanasie-Programms ermordet.
Offensichtlich aufgrund der Verstrickungen in das NS-Vernichtungsprogramm beschlagnahmte die US-Militärregierung 1945 den Schwarzacher Hof und übergab ihn der UNRRA, einer Hilfsorganisation der Vereinten Nationen. Ab September verwandelte sich der großzügige Gebäudekomplex in das „International Children’s Center Aglasterhausen“, ein Waisenhaus, in dem jüdische und nichtjüdische Kinder sowie Jugendliche aus unterschiedlichsten Nationen betreut wurden. Dabei handelte es sich um Befreite aus den Konzentrations- und Zwangsarbeiterlagern: um junge Menschen, die unter furchtbaren Bedingungen Krieg und Verfolgung überlebt hatten. Im Schwarzacher Hof wurden sie auf ihren Weg zurück ins Leben und auf eine neue Zukunft in Übersee vorbereitet.
Rund 600 elternlose Kinder und Jugendliche erhielten in diesem Zentrum die lange Zeit vermisste Zuneigung, Geborgenheit und Betreuung. Für Einige begann der Neuanfang anschließend in ihrer alten Heimat: in Jugoslawien, Frankreich, Belgien, Holland, Polen, Russland, Norwegen oder in der Tschechoslowakei. Die Mehrheit der Jungen und Mädchen emigrierte jedoch in die klassischen Einwanderungsländer USA, Kanada oder Australien und für viele jüdische Kinder kam natürlich ab Mai 1948 nur der neu entstandene Staat Israel infrage.
Das „International Children’s Center“ schloss zum Ende des Jahres 1948 endgültig seine Tore. Die letzten Bewohner wurden in ein Kinderzentrum im oberbayerischen Bad Aibling gebracht. Anschließend erhielt die Diakonie den Schwarzacher Hof zurück und betreut bis heute auf dem Gelände geistig und körperlich behinderte Menschen.
Über die nahezu vergessene Geschichte des „International Children’s Center Aglasterhausen“ soll eine wissenschaftliche Dokumentation entstehen. Bei ersten Recherchen über dieses Kapitel der Nachkriegsgeschichte konnten bereits Akten in den beiden UN-Archiven in Paris (IRO) und New York (UNRRA) ausgewertet werden. Da einige Kinder und Jugendliche im Rahmen des „War Orphan Project“ nach Kanada einwanderten, finden sich auch in den Canadian Jewish Archives (Montreal) aussagekräftige Unterlagen.
Im Jahrbuch des Nürnberger Instituts nurinst 2018 ist dazu ein wissenschaftlicher Aufsatz mit dem Titel „Die Kinder haben beachtliches Vertrauen entwickelt“ erschienen.