wurde 1919 in Wien geboren. Damals hieß sie Schmidt und unter diesem Namen war sie auch als Schwimmerin bekannt. Sie wurde im 15. Bezirk groß und ihre Eltern hatten ein Café im Wohnhaus, das „Café Schmidt“. So stammt Elli Schmidt-Susz aus einer gehobeneren Schicht, wuchs aber in einem Arbeiterbezirk auf. Das Café besuchten folglich eher einfachere Menschen. Juden verirrten sich nur selten ins Lokal. Elli ging erst in die Volksschule und anschließend auf das Gymnasium. Als kleineres Mädchen bekam Elli nichts vom Antisemitismus an der Schule mit, später am Gymnasium war dies anders. Noch schlimmer wurde es nach dem „Anschluss“ Österreichs. Elli Schmidt-Susz fiel auf, weil sie im Gegensatz zu den anderen Kindern kein Hakenkreuz trug, und deshalb wurde sie verdächtigt, Jüdin zu sein. Die Jugendlichen auf dem Schulhof riefen ihr dann antisemitische Ausdrücke hinterher. Die Wiener waren nach Ellis Erinnerung sehr gemütlich und gleichzeitig sehr antisemitisch. Und die Schulleitung war nicht begeistert davon, jüdische Schüler an ihrer Schule zu haben. Elli lernte hier nicht viel über das Judentum, zumal die Lehrer jüdische Schüler häufig schikanierten.
„Einmal saß ich mit meinem Freund auf dem Heimweg vom Dianabad in der Straßenbahn. Da sonst fast alle Hakenkreuze trugen, hielt die Polizei uns für Juden, Sozialisten oder Kommunisten. Das reichte für eine Festnahme. Ich wurde in eine Zelle geworfen, in der bereits ein paar andere Juden waren und musste bis zum Abend blutiges Verbandszeug waschen. Ein Soldat spielte mit einem Gewehr herum; er schoss nicht auf uns, jagte uns aber große Angst ein. Mein Freund wurde irgendwo anders hingebracht; er hat nie darüber gesprochen, was er tun musste, sicher etwas sehr Demütigendes.
Der Hakoah-Trainer Zsigo Wertheimer sah mich auf Sommerfrische bei Pörtschach im Wörthersee schwimmen und fragte, ob ich nicht der Hakoah beitreten wolle. So wurde ich aufgenommen und ging von diesem Zeitpunkt an immer zum Training. Das hat mir sehr gut gefallen! Mit fünf Jahren lernte ich schwimmen, mit zehn Jahren begann ich ernsthaft mit dem Training. Bevor mich Zsigo Wertheimer ansprach, hatte ich keinerlei Ahnung, was die Hakoah eigentlich ist. Ich hatte keinerlei Bezug zum Judentum, sondern bin allein aus Liebe zum Schwimmsport beigetreten. Später hat sich dies natürlich geändert. Bei der Hakoah gab es Trainingsabende, die umsonst waren; doch drei Mal in der Woche fuhr ich auch ins Dianabad, wo das Training etwas gekostet hat. Hierbei musste man etwa 1.000 Meter nur mit den Beinen schwimmen, mit Stoppuhr, und sich jedes Mal verbessern. Ich habe sehr gerne trainiert. Die Spitzenschwimmer mussten privat zum Trainer Zsigo Wertheimer kommen, das kostete auch etwas. Neben dem Schwimmen gründeten wir eine Kindergruppe und brachten den Kindern etwas über das Judentum und die Feiertage bei. Das war unser Lichtblick und wir machten das sehr gerne.“
Mit 14 Jahren begann Elli, auch Wettkämpfe zu schwimmen, und sie gewann alle möglichen Medaillen, die ihr Vater immer aufhob. Da später in Israel jedoch alle ihre Trophäen gestohlen wurden, weiß sie nicht mehr genau, was ihr erster großer Erfolg gewesen ist. Sie glaubt aber, es war eine Jugendmeisterschaft in Graz. Ihre Spezial-Disziplin waren die 100-Meter-Rücken. Viel eindrucksvoller als die spätere Olympiade in Berlin fand Elli Schmidt-Susz 1935 die zweite Makkabiade in Palästina. Elli war hingerissen vom Land und den tausenden von Sportlern und Zuschauern. Außerdem war ihre Wiener Mannschaft sportlich sehr erfolgreich und errang viele Preise. Elli gewann zum Beispiel mit der Staffel und im 100-Meter-Rückenschwimmen. Als sie von der Makkabiade zurückkam, erklärte sie ihren erstaunten Eltern, dass sie nach Palästina emigrieren würde.
„Neben mir fuhren drei Schwimmerinnen 1936 nicht zur Olympiade nach Berlin – aus Protest gegen Hitlers Antisemitismus. Das waren Judith Deutsch, Ruth Langer und Lucie Goldner. Mir war nicht ganz klar, was die Olympiade und Hitler war, aber meine Freundin Judith Deutsch ist nicht gefahren und ohne zu überlegen bin ich auch daheim geblieben. Später stellte sich heraus, dass dies die richtige Entscheidung war. Die Österreicher aber haben uns auf Lebenszeit gesperrt, weil wir uns geweigert hatten, Österreich zu repräsentieren. Aber es hat mir trotzdem nicht Leid getan. Mich hat der österreichische Verband übrigens nie rehabilitiert. Bei Judith entschuldigten sie sich schriftlich, aber ich habe nichts von ihnen gehört.
1938, nach dem sogenannten Anschluss, bin ich über England ausgewandert. Ein halbes Jahr später kam ich in Palästina an. Dort waren viele nette Leute, die sich von Herzen bemühten, es uns so schön wie möglich zu machen. Mich rührte diese Solidarität. Ich kam im Frühling 1939 an und es war bereits sehr heiß. Als in Jerusalem eine Kindergärtnerin gesucht wurde, meldete ich mich sofort. Die Arbeit gefiel mir sehr gut, doch nur mit Mühe und Not konnte ich vom Gehalt leben. Ich wohnte im Wizo-Heim in Jerusalem, einer Einrichtung des internationalen zionistischen Frauenverbands. Das Leben war damals viel schöner als heute. Meine Eltern, die bald mit Hilfe der Hakoah nachkamen, machten in Jerusalem wieder ein Café auf, das abermalige ‚Wiener Café Schmidt‘, wo sich sehr viele Deutsche aufhielten. Das Geschäft lief gut. Auch während des Unabhängigkeitskrieges war das Caféhaus geöffnet. Ich trieb aber fast keinen Sport mehr. In der Griechischen Kolonie, einem Ortsteil nahe der Altstadt Jerusalems, gab es zwar ein Bad, doch man musste ums Überleben kämpfen und hatte deshalb zum Schwimmen keine Zeit.“
Elli Schmidt-Susz besuchte dann an der dortigen Universität das Psychoanalytische Institut. Natürlich ist sie als Wiener Jüdin Freudianerin und kannte auch Freuds Tochter Anna. Damals lebten nach ihrer Erinnerung viele Wiener in Jerusalem und besuchten auch die Universität. Nach dem Krieg heiratete Elli. Ihren Mann hatte sie bereits in Wien bei der Hakoah kennen gelernt. Er war ebenfalls ein Schwimmer, jedoch kein so erfolgreicher. Das frischvermählte Paar zog nach Tel Aviv, wo Elli in einer staatlichen Kinderklinik arbeitete. Es war eine herausragende Einrichtung mit sehr vielen Wiener und Berliner Kollegen. In Palästina/Israel gab es, wie sich Elli erinnert, viele jüdische Waisenkinder, denen geholfen werden musste. Sie waren teilweise erheblich traumatisiert.
Nach dem Krieg bekam Elli Schmidt-Susz zunächst keinerlei Entschädigung, sodass sie nicht, wie ihr Wunsch war, ein Aufbaustudium in Wien absolvieren konnte. Danach weigerte sie sich lange, nach Wien zu fahren, doch als Psychologin wusste sie, dass es falsch ist, schlechte Erlebnisse auf Dauer verdrängen zu wollen. Außerdem wollte sie ihren Kindern zeigen, woher sie stammt. Ihre Tochter meinte dann bei der ersten Wien-Reise: „Immer habe ich geglaubt, dass alles, was du mir erzählst, wahr ist. Aber du hast behauptet, dass hier so scheußliche Leute sind und dass du sie hasst. Sie sind aber in Wahrheit schrecklich nett und sehr höflich!“
„Ja, sie sind wirklich sehr höflich, die Wiener, das muss man ihnen lassen, aber nicht aufrichtig. Wien ist eine sehr schöne Stadt! Ich glaube, der Antisemitismus in Wien äußert sich heute weniger deutlich, er ist nicht mehr so aggressiv, aber ich glaube, es hat sich nicht viel an der Einstellung geändert. Bis 2005 arbeitete ich noch als Psychologin. Die Arbeit bereitete mir sehr viel Freude, doch in diesem Jahr bekam ich solche gesundheitlichen Probleme, dass ich aufhören musste.“
Interview und Text: Peter Zinke